Pressebericht in dem Journal für die Frau 15.11.2000

Jouranl für die Frau Reisen
 

Ganz locker in der Loipe

Der Schweinsbraten links zählt noch zu Bayern, die Knödel rechts sind böhmisch. Das Bier in der Mitte? Neutral. Grenzstation Bayerisch-Eisenstein im ehemaligen Niemandsland zwischen Deutschland und Tschechien. Jetzt ist es nicht mehr weit und ein Dutzend Langlauf-Fans, fiebern unserem Ziel entgegen – dem dick verschneiten Böhmerwald. „Ahoi!” heißt es zum Empfang. Den flotten Seemannsgruß ruft man sich hier als Begrüßung zu. „Sumava”, die Rauschende, nennen die Tschechen ihren Wunderwald. Und wirklich, am ersten Morgen erwache ich von einem irren Brausen, so als würde ein Wasserfall gleich neben meinem Kopfkissen herunterpladdern. Doch es ist nur der Wind in den dichten Tannen rund um unsere Pension .,Hajenka” in Filipova Hut’, dem höchsten Dorf Böhmens, das 1150 Meter über dem Meeresspiegel liegt, Urgemütlich ist mein Zimmer in dem ehemaligen, von Grund auf renovierten Forsthaus. Eisblumen wachsen an den Fenstern, und um die Dachluken draußen wölben sich weiße Hauben.

Es hat die ganze Nacht geschneit, und als wir unsere ersten Langlauf-Schritte tun, sind wir froh, dass auf dem ohnehin schon meterhohen Schnee ein weiches Polster liegt. Zwar schliddern wir direkt neben der Trainingsloipe der tschechischen Nationalmannschaft entlang, doch olympiaverdächtig sind wir deshalb noch lange nicht. Müssen wir auch nicht, denn „der Erwin” passt sich unserem Tempo an. Dr. Erwin Aschenbrenner, promovierter Philosoph, lebte einige Jahre in Asien und Südamerika, bevor er sein Herz an dieses „unentdeckte” Gebiet verlor und seither mit seinen Reisen dafür wirbt, dass Schönheit und Natur auch für andere Nicht Böhmische Dörfer bleiben.

Gut 300 Kilometer Loipen führen über Hochmoore, vorbei an Gletscherseen und blauen Bergen und immer wieder durch kuschlige Tannenwälder, deren Zweige sich unter der Schneelast biegen. Ab und zu die Spuren von Dachs, Fuchs oder Reh. „Der Erwin” wird auf seinen Touren von Jiri und Dalibor, zwei tschechischen Sportlehrern, unterstützt. Wobei Letzterer auch mal in den weichen Neuschnee abtaucht. Der vermeintlich simple Langlauf hat seine Tücken: Bergauf geht’s immer nach dem Schema: zwei Rutscher vor und einen zurück. Bergab aber fühlt man sich auf den schmalen Skiem nicht selten wie barfuß auf der Eisbahn. „Aaaus dem Weg – ich komme…!” Und dann sind nur noch die neongelben Unterseiten der Skier zu sehen.

Abends, beim Becherowka, der hier als Medizin gilt, lachen wir darüber. Gebraut wird dieser Zaubertrank aus exakt 20 böhmischen Heilkräutern. Seine einzige Konkurrenz ist das Pivo, was auf gut deutsch Bier heißt. Nichts schmeckt besser zu all den „knedligs” (Knödel), zu „bramborovys” (Kartoffeln a la Brandenburg) oder zum Schweinsbraten, den man hier „böhmischen Spatz” nennt. Flügel wachsen uns nach dieser deftigen Kost zwar nicht gerade, aber Fortschritte haben wir nach einer Woche Langlauf schon gemacht. Jetzt starren wir nicht länger krampfhaft nach unten auf die Loipe, können die Winter-Zauberwelt um uns herum genießen. Und wissen, es war nicht das letzte Mal – ahoi, Böhmerwald!

Monali Hierl

Die Texte stammen von den oben aufgeführten Zeitungen.

 

 

 

 

 

 

 

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